Der Datenflut begegnen: Mobilität und optimale Nutzung von Daten

Verbesserte Wartung, herausragende Kundenerlebnisse und intelligentes Supply Chain Management: Daten versprechen, die Mobilität im Jahr 2021 und darüber hinaus weiter voranzutreiben. Es werden immer mehr Daten gesammelt. Wie können diese optimal genutzt werden? Und welche Risiken birgt diese Datenfülle für Mobilitätsunternehmen und Versicherer?

Die Mobilitätsbranche sammelt mehr Daten denn je, berichtet Abhijit Pal, Partner bei Mazars: „Die Möglichkeiten der Datengewinnung haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert: Web- und mobile Kanäle führen Prozesse aus und sammeln dabei Informationen, genauso wie die Hardware in Autos und Flugzeugen. Dadurch entsteht eine Flut von Daten.“

Dafür zu sorgen, dass Unternehmen diese Daten geschickt sammeln, analysieren und nutzen, damit sie nicht in der Flut untergehen, ist zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für die Branche geworden.

Umgang mit Daten: Lernen von der Luftfahrt

Eine Mobilitätsbranche, die dafür bekannt ist, Daten zu ihrem Vorteil zu nutzen, ist die Luftfahrt. Sie nutzt diese zur Verbesserung der Wartungstechnik. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wartete technisches Personal Flugzeuge, indem sie Teile in regelmäßigen Abständen prüften. In den 1940er Jahren stellte man jedoch fest, dass Flugzeuge häufiger nach ihren regelmäßigen Wartungskontrollen ausfielen als vorher. Eine eingehende Prüfung ergab folgende Ursache dafür: Bei den Reparaturverfahren mussten die Geräte zerlegt und wieder zusammengebaut werden, was zu einem höheren Ausfallsrisiko führte.

Man ging deshalb zu einer „zustandsorientierten Wartung“ über, wobei die Teile bei Bedarf gewartet werden, anstatt in regelmäßigen Abständen. Dieses Vorgehen setzte sich schließlich durch. Die nächste Innovation bestand darin, Komponenten mit Sensoren auszustatten, die Daten sammeln, anhand deren das technische Personal benachrichtigt wird, wenn Komponenten gewartet werden müssen. Dieses Vorgehen wird „vorausschauende Wartung“ genannt.

„Seit den frühen 90er Jahren“, so erklärt Oliver Guilbert, Senior Manager bei Mazars, „hat die vorausschauende Wartung die Sicherheit von Fluggesellschaften ständig verbessert. In den letzten Jahren haben die großen Unternehmen der Branche versucht, diesen Ansatz in ein neues Zeitalter zu führen, indem sie Daten von mehreren Bereichen des Flugzeugs sammeln.“

Intelligentes Supply Chain Management

Die Nutzung von Daten zur Verbesserung der Wartung ist nicht das einzige, das andere Mobilitätsunternehmen von der Luftfahrtbranche lernen können. Vorausschauende Wartung – durch effektive Nutzung von Daten ermöglicht – sorgt auch für bessere Lieferketten.

Guilbert erklärt: „Wenn man weiß, was wahrscheinlich ersetzt werden muss und wann, dann wird es leichter, den Fluss von Ersatzteilen und Wartungspersonal zu optimieren. Durch die Verwendung von Sensoren, um genaue, aktuelle Daten zu einzelnen Komponenten zu sammeln, können Mobilitätsunternehmen die Erfahrungen aus der Praxis mit einbeziehen und als Team bessere Vorhersagen treffen.“ Das bedeutet, dafür zu sorgen, dass das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. So sind Unternehmen in der Lage, Teile auszutauschen, bevor diese defekt werden.

Ein besseres Kundenerlebnis

Nicht nur die Hardware kann verbessert werden, auch Daten können neue Kundenerwartungen erfüllen und das Kundenerlebnis verbessern. Zum Beispiel bei Versicherungen: „Neue Formen der Mobilität – insbesondere im urbanen Raum –schaffen neue Bedürfnisse. Versicherer setzen deshalb Daten ein, um spezielle Angebote für Elektro-Scooter, Segways und Radfahrer in der Stadt zu entwickeln. Sie haben ihr Angebot auch auf die Sharing Economy ausgedehnt – auf Carsharing und tageweise oder sogar stundenweise Autovermietungen“, sagt Jean-Claude Pauly, Partner bei Mazars.

Die Luftfahrtbranche bietet weitere Best Practice-Beispiele dafür, wie sich Daten zur Steigerung der Kundenzufriedenheit nutzen lassen. Guilbert sagt dazu: „Biometrische Pässe, die durch Daten unterstützt werden, tragen ebenfalls zu kürzeren Wartezeiten an den Sicherheitskontrollstellen bei. Die Kundenzufriedenheit steigt dadurch deutlich.“

Daten verändern nicht nur das Was, sondern auch das Wie – mit positiven Auswirkungen auf die individuelle Gestaltung von Produkten. Pauly merkt dazu an: „Wie andere Branchen automatisieren auch Versicherungen zunehmend ihre Arbeitsvorgänge. Sie nutzen Algorithmen in Verbindung mit menschlicher Intervention, um eine Vielzahl kleiner Risiken abzudecken. Richtig eingesetzt ermöglicht künstliche Intelligenz es Versicherungen, ihrer Kundschaft im großen Stil maßgeschneiderte Lösungen zu bieten. Ein weiteres Beispiel für diese individuelle Gestaltung ist ‚pay how you drive‘. Dabei zeichnet eine am Fahrzeug angebrachte Box auf, wie viele Kilometer in einem bestimmten Zeitraum gefahren werden und wie das Fahrzeug gefahren wird. Auf Basis dieser Daten wird ein individueller Preis je nach Risikoverhalten kalkuliert.“

Erkennen, wie Daten neue Risiken schaffen

Diese Entwicklungen schaffen jedoch ihre eigenen Risiken, da sie das Grundprinzip des Versicherungswesens verletzen: Die Risikoverteilung zwischen Versicherten. „Das könnte für manche Fahrer zu sehr hohen Prämien führen. Andere könnten wiederum Probleme haben, überhaupt eine Versicherung zu finden“, warnt Pauly. „Das bedeutet, dass die Daten so gehandhabt werden müssen, dass Versicherungsangebote individuell abgestimmt werden können, während gleichzeitig das branchenspezifische Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt bleibt.“

Neue Mobilitätslösungen für Konsument*innen könnten weitere Veränderungen am Versicherungsmarkt anstoßen, wie die Entwicklung selbstfahrender Autos zeigt. „Das autonome Fahren verlagert die Verantwortung vom Fahrer auf die Software. Deshalb werden Versicherungen darauf reagieren müssen, indem sie den rechtlichen Haftungsumfang klären und dafür sorgen, dass sie neue Datenquellen erfassen und nutzen können“, warnt Pauly. „Wenn das autonome Fahren sich durchsetzt, dann sollte es zu weniger Schadensfällen kommen. Das könnte zu weiteren Veränderungen im Versicherungsmarkt führen.“

Neue Herausforderung der Nachhaltigkeit meistern

Das gesamte Mobilitäts-Ökosystem sucht nach Möglichkeiten, um nachhaltiger zu werden. Dafür sind datengestützte Lösungen nötig. Ob Anwendungen für Mobilität „as-a-Service“, die Fahrgästen dabei helfen, die umweltfreundlichsten Transportmittel in der Stadt zu finden, wie zum Beispiel Fahrgemeinschaften und Carsharing, oder Fluggesellschaften, die mit Hilfe eines assistierten Starts den CO2-Fußabdruck eines Flugzeugs reduzieren: es sind immer mehr solcher Lösungen auf dem Markt verfügbar.

Das deckt sich mit dem Ziel der Regulierungsbehörden, Emissionen zu senken. Die EU hat bereits Ziele für ihre Mitgliedsstaaten festgelegt, und andere Länder ziehen nach. Im November 2020 erklärte Großbritannien seine Absicht, bis 2025 Großunternehmen (einschließlich Mobilitätsunternehmen) dazu zu verpflichten, Daten zu ihrem Klimarisiko offenzulegen.

In einem unserer letzten Artikel rät Michael Rofman, Partner bei Mazars, den Herstellern von Mobilitätslösungen zu prüfen, welche Möglichkeiten zur Dekarbonisierung sich in ihren intelligenten Gebäuden und Fahrzeugflotten bieten.

Kontrolle über die Datenflut

Es werden immer mehr Mobilitätsdaten erzeugt. Deshalb sollten Teams eine intelligentere Speicherung und die Nutzung innovativer Datensätze in Betracht ziehen, um eine Datenflut abzuwenden.

1. Speicherung und Management. „In erster Linie werden dafür Datenbanken und Warenwirtschaftssysteme genutzt“, erklärt Pal. „Es gibt jedoch auch eine wachsende Nachfrage nach Big Data und nach Data Lakes, riesigen Pools von Rohdaten, für die noch kein bestimmter Zweck feststeht.“ („Data Lakes“ unterscheiden sich von „Data Warehouses“ insofern, als letztere Sammlungen von Daten sind, die bereits für einen bestimmten Zweck gefiltert, strukturiert und verarbeitet wurden.) Mobilitätsunternehmen könnten versuchen, die Vorteile von Data Lakes so gut wie möglich zu nutzen, denn diese können für Datenwissenschaftler auf der Suche nach frischen Innovationen eine ergiebige Quelle darstellen.

2. Erstellung und Nutzung innovativer Datensätze. Städte setzen verstärkt auf die Integration städtischer Verkehrsnetze (siehe: Bündelung in der Stadt: Integration der städtischen Verkehrsdienste), wodurch eher Daten über sämtliche Fahrten der Fahrgäste gesammelt werden können. Diese Daten können in Städten für die Schaffung von mehr und besseren integrierten Transportmöglichkeiten genutzt werden.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass das Sammeln von Daten – für Unternehmen ebenso wie für Fahrgäste – tatsächlich zu smarteren, sichereren Transportmitteln führt. Um eine wenig sinnvolle Datenflut zu vermeiden, ist es nötig, dass Mobilitätsunternehmen diese Informationen auf bewältigbare Weise in ihre vorausschauenden Wartungs- und Supply Chain Management-Prozesse einfließen (und auch wieder herausfließen) lassen. Gleichzeitig müssen sie auch das Kundenerlebnis im Auge behalten. Und dieses ist zunehmend mit Erwartungen zu Nachhaltigkeit und den Folgen breiterer Marktinnovationen verknüpft. Diejenigen, die das alles erfüllen, schaffen sich die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start ins Jahr 2021 und darüber hinaus.