Keine Lust auf Prüfung

Salzburger Nachrichten, 09.06.2021
Finanzskandale haben das Image der Wirtschaftsprüfer beschädigt. Dabei habe der Beruf viel zu bieten, heißt es in der Branche. "Der Beruf des Wirtschaftsprüfers habe unter jungen Kollegen derzeit keinen guten Ruf. Daher gebe es zu wenige, die sich dafür interessierten. Uns fehlt der Nachwuchs", sagt Dessulemoustier-Bovekercke.

RICHARD WIENS

WIEN. Wirtschaftsprüfer gehören zu den Berufen, deren Arbeit in der Regelvon der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Außer es passieren Fehler. Dann geraten die Wächter über die Bilanzen ganz schnell in den medialen Fokus - wie zuletzt bei Wirecard oder der Commerzialbank Mattersburg. Die Branche habe wegen dieser und anderer Skandale ein Imageproblem, räumt Michael Dessulemoustier-Bovekercke, Partner und Geschäftsführer bei der internationalen Prüfungs und Beratungsgesellschaft Mazars, ein. Das sei aber ein verzerrtes Bild seiner Profession, die meisten machen einen super Job".

Die schlechten Nachrichten zeigen jedoch Wirkung, der Beruf des Wirtschaftsprüfers habe unter jungen Kollegen derzeit keinen guten Ruf. Daher gebe es zu wenige, die sich dafür interessierten. Uns fehlt der Nachwuchs", sagt Dessulemoustier-Bovekercke. Mit ein Grund sei, dass in der Öffentlichkeit die falsche Vorstellung bestehe, Wirtschaftsprüfer würden als Kontrollorgan für die Finanz tätig. Dabei agiere man im Auftrag der Betriebe und sei dafür zuständig, die Richtigkeit und Qualität der Finanzberichterstattung sicher zustellen.

Nach den Skandalen wird der Ruf nach Reformen laut. So wird etwa überlegt, die Fristen für den Prüferwechsel zu verkürzen. In Österreich ist die von der EU angestoßene Aufsichtsreform mit Übergangsfristen umgesetzt. Die sieht den Wechsel der Prüfungsgesellschaft (externe Rotation) alle zehn Jahre vor, die Zeitspanne kann aber im Rahmen von Joint-Audits (wenn zwei Gesellschaften prüfen) verlängert werden. Die interne Rotation, also der Wechsel des Prüfers, muss nach sieben Jahren stattfinden. Bei Banken und Versicherungen wird überlegt, die Zeitspanne für die externe Rotation auf bis zu fünf Jahre zu verkürzen.

Dessulemoustier-Bovekercke hält davon wenig. Ein Prüfer brauche ein bis zwei Jahre, um sich in ein großes Unternehmen einzuarbeiten. Bei nur fünf Jahren Prüfdauer würde viel Know-how verloren gehen. Effektiver wäre ein Joint-Audit, bei dem zwei Prüfer ein Unternehmen gemeinsam unter die Lupe nehmen. Ein solches Vier-Augen Prinzip sei jedoch freiwillig, angewandt werde es etwa im ORF oder bei der Oesterreichischen Nationalbank. Es für den Finanzbereich vorzuschreiben wäre überlegenswert und brächte mehr als das Verkürzen der Rotation, sagt der Prüfer.

Er sieht auch kaum Bedarf für zusätzliche Kompetenzen. Die Zusammenarbeit des Wirtschaftsprüfers mit dem Aufsichtsrat sei rechtlich klar und gut geregelt, werde außer in börsenotierten Gesellschaften aber oft nicht richtig gelebt. Vor allem in Unternehmen, die vom Eigentümer geführt werden und Aufsichtsräte zu diesem ein Nahverhältnis haben, gibt es Luft nach oben", sagt der Mazars-Partner.

Kann man Vorkommnisse wie bei der Commerzialbank verhindern, müssen Wirtschaftsprüfer andere Methoden anwenden? Der Einsatz der Forensik sei wichtig, sie sei aber kein Teil der Abschlussprüfung. Man müsse auch mit dem Mythos aufräumen, dass der Bestätigungsvermerk eine völlig fehlerfreie Bilanz garantiere, wir prüfen, ob das Zahlenwerk im Wesentlichen korrekt ist", sagt Dessulemoustier-Bovekercke. Eine allenfalls andere Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit stehe nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang.

Dass in Deutschland eine strengere Haftung für Abschlussprüfer diskutiert wird, sieht der Experte mit gemischten Gefühlen. Er hält den Status quo in Österreich für angemessen, bei dem Wirtschaftsprüfer für grob fahrlässiges Verhalten haften, das sei auch noch versicherbar. In Deutschland soll im Zuge des Finanzmarktstabilitätsgesetzes die Haftung bereits bei leichter Fahrlässigkeit greifen.

Wenn man selbst bei kleinen Fehlern privat hafte und in Gefahr sei, die Berufsberechtigung zu verlieren, wird es langsam kritisch", sagt Dessulemoustier-Bovekercke. Zudem würden immer schärfere Regularien die Marktkonzentration befördern und kleinere Prüfer aufhören, weil sich nur die großen Vier" der Branche die Versicherung für die Haftung leisten könnten.

Von all dem sollten sich Studenten und Uni-Absolventen nicht abschrecken lassen, sagt Dessulemoustier-Bovekercke. Man sei mit 1000 aktiven Wirtschaftsprüfern ein kleiner Berufsstand. Pro Jahr kämen rund 50 bis 70 neu hinzu. In den nächsten zehn Jahren gingen aber viele Kolleginnen und Kollegen in Pension, man bräuchte daher zumindest 100 Neuzugänge pro Jahr.

Die Jobchancen seien daher sehr gut. Zwar sei die Prüfung zur Erlangung der Berufsbefugnis herausfordernd und die Ausbildung vor allem in den ersten Jahren intensiv, aber die Arbeitszeiten seien mittlerweile sehr flexibel gestaltbar.

Das Spektrum der Tätigkeit sei breit, neben der Prüfung gebe es viel Bedarf für Beratung. Auch die Berufsordnung sei modernisiert. Musste man früher den Umweg über die Befugnis als Steuerberater gehen, wurde der Zugang zur Wirtschaftsprüfung 2017 deutlich verkürzt. Dauerte es früher zwischen acht und zwölf Jahre bis zum Berufsantritt, sei das nun in drei bis vier Jahren möglich.

Die wichtigste Regel in seinem Job sei, sich eine kritische Grundhaltung und ein gesundes Misstrauen zu bewahren. Aber eines müsse klar sein, sagt Dessulemoustier-Bovekercke, bei Betrug stößt der Abschlussprüfer an seine Grenzen".

Dokument

Salzburger Nachrichten Keine Lust auf Prüfung