Quo vadis, Mobilität: Erfahrungen mit Ridepooling

Ridepooling kann eine Alternative sein, um verkehrsbedingte CO2-Emissionen zu reduzieren, Fahrtzeiten zu verkürzen und Mobilität und damit das Leben generell einfacher zu gestalten. Durch intelligente Routensteuerung und Vorteile beim Umweltschutz ist Ridepooling eine Vision für die Zukunft der Mobilität. Allerdings steht Ridepooling vor großen organisatorischen, kulturellen und technologischen Herausforderungen und die aktuell noch zurückhaltende Akzeptanz der Kundinnen und Kunden beeinträchtigt die Entwicklung. Wie sieht diese aus und welches Wachstumspotenzial bietet Ridepooling?

Lange Zeit waren die klassischen Verkehrsmittel Auto, Bahn und Bus entweder vollständig in Privatbesitz oder vollständig in öffentlicher Hand. Mittlerweile jedoch hat sich im Angebot von Verkehrslösungen nach und nach eine Grauzone zwischen Besitz und gemeinsamer Nutzung herausgebildet. So konnte sich beispielsweise Carsharing als Mobilitätsalternative etablieren, bei der die Nutzerinnen und Nutzer in Großstädten Autos für einzelne Kurzstreckenfahrten anmieten und am Zielort stehenlassen. Und es sind derzeit zahlreiche weitere Angebote mit ähnlichen Geschäftsmodellen in einer Frühphase ihrer Entwicklung. 

Eine vielversprechende Lösung ist Ridepooling: In verkehrsreichen städtischen Zonen geben Passagiere ihren Standort und ihr Ziel in eine App ein. Die App gibt einen Abholort in der Nähe an – üblicherweise nur ein paar Schritte entfernt. Der Fahrgast steigt in ein Fahrzeug, oft einen Kleinbus, in dem möglicherweise bereits andere Mitfahrende sind, die in dieselbe Richtung fahren. Am Ziel (oder einem Haltepunkt in der Nähe) verlässt der Fahrgast das Fahrzeug wieder. Einige globale Anbieter wie Uber haben bereits ihr Kerngeschäft, das Ridehailing, bei dem über eine App vermittelt nur eine Person im privaten PKW von A nach B mitfährt, um eine zusätzliche Option für Ridepooling erweitert.

Ridepooling ist mit geringeren Kosten verbunden als individuelle Carsharing-Angebote. Der Grund dafür ist, dass mehrere Fahrgäste die Fahrzeuge gleichzeitig nutzen und diese die jeweiligen Zielorte nicht exakt ansteuern müssen. So legen mehr zahlende Fahrgäste die gefahrene Strecke in einem einzigen Fahrzeug zurück, als dies bei traditionellen Carsharing-Modellen oder Ridehailing der Fall wäre.

„Ridepooling kann ein öffentliches oder privates Angebot sein“, sagt Olivier Guillot, Partner bei Mazars. „So könnte ein öffentliches Angebot Busse im öffentlichen Personennahverkehr ersetzen. Ein privater Anbieter hingegen könnte entweder Fahrten organisieren, bei denen die eigenen Fahrzeuge der Fahrer im Einsatz sind oder ein zentraler Anbieter eine spezialisierte Flotte zur Verfügung stellt.“

Ridepooling als Zukunft des Stadtverkehrs?

Wird das Potenzial voll ausgeschöpft, bietet Ridepooling eine Reihe von Vorteilen:

Einfach und günstig – In verkehrsreichen Gegenden und zu Stoßzeiten ist Ridepooling ebenso einfach zu nutzen wie die in vielen Städten bereits etablierten Carsharing-Dienste. Da sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug teilen, ist Ridepooling jedoch günstiger als das eigene Auto oder traditionelles Carsharing.

Netzwerkeffizienz – Ridepooling gestaltet städtische Verkehrssysteme insgesamt effizienter. Es gibt Anzeichen dafür, dass Ridepooling in Städten als Ergänzung zu traditionellen Buslinien und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln die Effizienz des gesamten Netzwerks verbessert.

Emissionsreduktion – Ridepooling trägt zur Emissionsreduktion bei, da im Vergleich zum Individualverkehr weniger Fahrzeuge für dieselbe Anzahl an Bewegungen benötigt werden. Zudem werden die Ridepooling-Fahrzeuge effizienter genutzt im Vergleich zu Privatfahrzeugen, die zu 95 Prozent ihrer Zeit leer stehen.

Amerikanische Wissenschaftler zeigen auf, dass Ridepooling mit kraftstoffsparenden Fahrzeugen und im Schnitt zwei Fahrgästen gleichzeitig im Vergleich zu Privatfahrzeugen eine Effizienzsteigerung um mehr als 65 % erreicht. Dadurch kann der Transport sogar energieeffizienter gestaltet werden als bei den meisten Busanbietern.

Ein steiniger Weg für Ridepooling

Derzeit ist Ridepooling ein vergleichsweise wenig erprobtes Mobilitätsmodell, das nur einige Mobilitätsdienstleister in wenigen großen Städten anbieten. Werden jedoch die organisatorischen, kulturellen und technologischen Herausforderungen gemeistert, bestehen hier enorme Wachstumspotenziale.

Die wichtigste organisatorische Herausforderung ist die zentralisierte Routenplanung. Ridepooling-Anbieter müssen genau wissen, wann und wo sich Fahrten lohnen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Abholorte logistisch effizient und in Stoßzeiten gut ausgelastet sind, um dabei möglichst wenig Fahrzeuge einzusetzen und möglichst viele Fahrgäste komfortabel mitzunehmen. Um mit dieser Herausforderungen erfolgreich umzugehen, müssen Anbieter geeignete Daten erfassen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Voraussetzung ist zudem die verlässliche Auswertung, wo das Fahrtaufkommen hoch genug ist, damit sich ein Ridepooling-Angebot lohnt. In einer Simulation haben Wissenschaftler berechnet, dass nahezu alle Fahrten innerhalb von Städten als Ridepooling-Service durchführbar sind, sofern die Dichte mindestens 6,5 Fahrten pro Quadratkilometer beträgt.

Soll Ridepooling auch im Auftrag von Stadtverwaltungen öffentliche Buslinien ersetzen, müssen die Städte erarbeiten, wie solche öffentlichen Verkehrsverträge ausgeschrieben und abgeschlossen werden können. Denn Ridepooling ist an ganz anderen Leistungsindikatoren zu messen als Busse. Dazu Peter Cudlip, Partner bei Mazars: „Die Vertragsstrukturen herkömmlicher Busunternehmer sehen üblicherweise Leistungsentgelte vor, die auf gefahrenen Kilometern oder Fahrtzeit basieren. Die Entgelte für Transport auf Abruf dagegen hängen eher von der Anzahl der transportierten Fahrgäste ab.“ Zudem werden die Kommunen ihre Instrumente zur Erfolgsmessung anpassen müssen. „Während die Ankunftszeit gemäß Fahrplan eine gute Kennzahl für traditionelle Buslinien ist, ist für Mobilitätsdienste auf Abruf die durchschnittliche Wartezeit ein besserer Indikator“, erklärt Cudlip.

Ridepooling setzt auch einen kulturellen Wandel voraus: Heute ist häufig der Bus das kleinste Verkehrsmittel, das Menschen zur selben Zeit mit anderen teilen. Aber die Kultur kann sich verändern, wie das Beispiel von Airbnb im Hinblick auf das Teilen privater Unterkünfte gezeigt hat.

Die Corona-Pandemie hat gewohnte Normen bereits verändert. Weltweit hat sich der Straßenverkehr verringert, und obwohl er sich jetzt wieder an das Niveau vor der Pandemie annähert, nutzen viele die Gelegenheit, die eigene Mobilität zu überdenken. Eine Umfrage unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Großbritannien ergab, dass die Hälfte der Befragten nicht zu ihrem normalen Pendelverhalten zurückkehren will.

Eine Voraussetzung für den Erfolg von Ridepooling ist, dass die Fahrgäste sich in einem fremden Fahrzeug sicher fühlen. Dieses Sicherheitsgefühl wurde allerdings durch Corona erheblich beeinträchtigt. „Die Pandemie könnte das Wachstum von Ridepooling-Angeboten verlangsamen, denn die Menschen könnten es vorziehen, Wege allein zurückzulegen, um eine Ansteckung zu vermeiden“, so Cudlip. „Carsharing-Anbieter müssen ihrerseits strenge Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen treffen, wenn sie wollen, dass ihre Fahrgäste sich jetzt und auch in Zukunft sicher fühlen.“

Auch die eingesetzte Technologie ist eine wichtige Voraussetzung für Ridepooling. Buslinien nutzen eine detaillierte Streckenplanung, die über Monate und Jahre hinweg perfektioniert wird. Dagegen bedingt ein on-Demand-Modell, dass Flotten und Netzwerke flexibel genug sind, sich täglich oder vielleicht sogar stündlich anzupassen. „Es ist schwierig, zu spät kommende oder gar nicht erscheinende Fahrgäste vorherzusehen – zum Nachteil der pünktlichen Fahrgäste“, warnt Cudlip. „Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz für die Vorhersage von Bereichen mit hoher Verkehrsdichte kann dieses Problem aber zumindest zum Teil gelöst werden.“

Auf Anbieterseite beruht der Erfolg im Ridepooling-Markt darauf, Daten treffend zu analysieren und die jeweils effizientesten Strecken, Gebiete und Kapazitäten zu identifizieren. Letztendlich könnte das Ridepooling auf einen Wettbewerb zwischen den Datenerfassungs- und Analysekompetenzen der Anbieter hinauslaufen.

Wenn es gelingt Ridepooling zu etablieren, könnte das Modell ausgeweitet werden, um auch andere Mobilitätsanforderungen zu erfüllen. Ist ein ähnliches Modell für die Logistik denkbar, etwa für die „letzte Meile“ im Lieferverkehr? Könnte Ridepooling nicht auch auf technologischer Ebene zur weiteren Vernetzung und Schnittstellen zwischen öffentlichen und privaten Systemen beitragen, um Fahrgästen in der Stadt nahtlos weitere Informationen zu bieten? „Es gibt bereits viele Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Trägern“, kommentiert Guillot. „So ein Deal ist immer dort möglich, wo die Chance besteht, das Fahrerlebnis der Nutzerinnen und Nutzer einerseits und die Gewinne der Anbieter andererseits gleichermaßen zu optimieren, sodass eine Win-Win-Situation entsteht.“